Private Phytoplanktonzucht

    Aus Gründen der Höflichkeit bitten wir das Geschriebene mit seinem Vornamen zu kennzeichnen, Danke, das Team der IG.

    • Private Phytoplanktonzucht

      Hallo,

      mich kennt man bereits aus der Phytoplanktonbörse bei der Suche nach der Alge Phaeodactylum tricornutum. Dann will ich mich auch mal besser vorstellen: Mein Name ist Karsten und ich wohne in der Nähe von München.

      Ich selber besitze gar kein Aquarium und bin eigentlich nur wegen den Diskussionen zum Thema Phytoplankton hier. Dazu wurde in den letzten Jahren schon viel von Euch qualitativ hochwertiges beigetragen. : daumen hoch :
      Angefangen hat bei mir alles mit den "Urzeitkrebsen" (Artemia), die ich aus Nostalgie wegen Yps-/Mickey-Maus-Heften mal wieder züchten wollte. Dazu gehörte auch "natürliches" Futter, also flugs Phytoplankton (Nannochloropsis) bestellt und war von dieser natürlich grünen Farbe ganz angetan. Dann habe ich einen Blogbeitrag gesehen wo jemand aus seinem Reaktor eine Wohnzimmerlampe gebastelt hat und habe gedacht: "Sowas will ich auch!". Aber dieses lästige Gesprudele nervt doch auf Dauer...

      Also war die Aufgabe herauszufinden, ob man Nannochloropsis auch ohne Belüftung testweise in einem 500 ml Glas halten/züchten kann. Das hat besser funktioniert als ich mir vorgestellt habe: Es wächst seit über einem Monat darin problemlos. Zweimal am Tag rühre ich mit einem Löffel alles auf, aber es setzt sich kaum was ab. Habe bisher nur einmal testweise mit einer Pipette etwas vom Grund abgetragen. Die Kultur hat 5% Salinität da ich gelesen habe, dass dies unerwünschte "Mitbewohner" fernhalten soll. Das hat auch gut funktioniert: Die Kultur ist, bis auf wenige Bakterien, sauber und rein (siehe Fotos). Ich habe Zugriff auf ein Labormikroskop und konnte die Kultur daher immer genauestens beobachten. Durch die fehlende Belüftung dauert es etwas länger bis zum Dunkelgrün werden und der Effekt ist begrenzt, da die hinteren Zellen in der Lösung stundenlang nicht optimal mit Licht versorgt werden - bis zum erneuten Umrühren. Mal von der mangelnden CO2-Versorgung abgesehen. Gedüngt wurde mit Dünger f/2 nach Guillard.


      Entwicklung von Tag 1 bis Tag 14:
      20 ml Stammlösung auf 450 ml Meerwasser (5% Salinität)


      400-fache Vergrößerung unter dem Mikroskop:
      Man kann hier sehr gut die einzelnen Zelldetails erkennen. Sieht irgendwie aus wie eine Comiczeichnung. 8|
      Die Dichte ist hier halbiert, da ich die Lösung gestern in zwei zusätzliche (Meplat-)Flaschen geteilt habe, als Backup-Kultur.

      Nun bin ich etwas angetan: Es gibt ja noch mehr Phytoplankton! : nicken :
      Tetraselmis finde ich süß, die sehen unter dem Mikroskop richtig knuffig aus. :love:
      Da in der Kultur, die ich aus einem Phytoplankton-Shop bezogen habe, auch Tetraselmis als leichte Verunreinigung mit enthalten war habe ich mir gedacht, wieso denn neu kaufen und es nicht sportlich sehen: Kann ich diese Art irgendwie daraus sauber und rein sondieren? Eine Idee, von der ich gelesen habe: Ein Reagenzglas nehmen, unten die Phyto-Stammlösung hinein, darüber einen Wattestopfen und darüber sauberes Meerwasser. Da Tetraselmis beweglich ist und phototaktisch, schwimmt es durch den Wattestopfen nach oben zum Licht. Der Rest, besonders Nannochloropsis, bleibt dann unten. Dann läßt sich Tetraselmis sauber oben abpipettieren. : gruebel :

      Mal sehen ob das so klappt... :/
      LG Karsten
    • katzenhai2 schrieb:

      Da Tetraselmis beweglich ist und phototaktisch, schwimmt es durch den Wattestopfen nach oben zum Licht. Der Rest, besonders Nannochloropsis, bleibt dann unten. Dann läßt sich Tetraselmis sauber oben abpipettieren.
      Hallo Karsten,

      interessanter Ansatz. Mit Essigälchen klappt das. :D

      katzenhai2 schrieb:

      Mal sehen ob das so klappt...
      Ja, da bin ich auch gespannt! :thumbup:

      Gruß

      Wolfgang
      Die Aquaristik ist eine Liebhaberei, bei der die Liebe im Vordergrund stehen soll und nicht die Haberei!
    • Nachtrag:

      Tatsächlich mache ich das mit den Essigälchen so zum Beispiel für meine Elassoma-Nachzuchten. Die Ausbeute wird größer, wenn ich statt eines Reagenzglases einen 200 ml Enghals-Erlenmayerkolben verwende. Nur das richtige Positionieren des Wattepfropfens ist dann etwas kniffliger, aber es reicht ja, wenn über dem Pfropfen 1 cm Wasserstand ist.

      Gruß

      Wolfgang
      Die Aquaristik ist eine Liebhaberei, bei der die Liebe im Vordergrund stehen soll und nicht die Haberei!
    • Wolfgang S schrieb:

      interessanter Ansatz. Mit Essigälchen klappt das. :D
      Hallo Wolfgang, Essigälchen kenne ich nicht, aber nach dem googlen hab ich die Seite schnell wieder zugemacht. Kleine Aale... :nein: :D Aber wenn die kleinen Barsche darauf stehen - jeder soll bekommen was ihn glücklich macht!

      Ich kann heute schon berichten: Es hat geklappt! Habe 1 ml aus dem Reagenzglas abpipettiert und in ein Schnappdeckelglas gegeben mit 3 ml Meerwasser dazu. Jetzt muss ich nur noch warten wie sie sich entwickeln.

      Sieht momentan so aus:

      Tetraselmis (400-fach)

      Video von Tetraselmis (400-fach) - sieht aus wie ein Auto mit Fahrer ohne Plan von der StVO:



      Harald schrieb:

      Was darf man sich unter 5% vorstellen, bzw. wieviel Gramm Salz auf 450 ml?
      Hallo Harald, mit 5% meinte ich den Salzgehalt des Mediums. Weil ich es mit 25g Salz auf 500 ml im Messbecher angerührt und davon 450 ml ins Glas gefüllt habe (=22,5g Salz im Glas). Danach kamen noch 20 ml von der Phyto-Stammlösung dazu, die laut Anbieter "Salzgehalt: 30-35 Promille" enthält. Sind dann rein rechnerisch etwa 4,9% Salz im Glas. Habe allerdings damals noch Regeneriersalz verwendet, kein Riff-Meersalz. Falls ich das jetzt mit den Prozenten verkehrt formuliert habe bitte ich um Nachsicht. : rot werden : Ich bin bei dem maritimen Thema noch nicht so lange dabei. Allein das Thema "Dichte" finde ich schon sehr komplex... wie gut, dass die beim Phyto nicht so relevant ist.
      LG Karsten
    • Hallo Harald,

      Harald schrieb:

      Die Kultur vom Tetra ist aber für mein Verständnis nicht besonders dicht. : gruebel :
      :D Das hätte mich verwundert, wenn sie dichter wäre: In der Phyto-Stammlösung vom Shop war Nannochl. drin und nur SEHR wenige Tetraselmis am rumwuseln. Durch den Wattestopfen werden es sicher auch nur ein paar hundert Zellen geschafft haben. Erkennen kann ich sie daher bisher nur mit der 15-fach Lupe, dann glitzern sie im Behälter bei Seitenlicht auf, wenn sie sich bewegen. Das ist aber mit der Kamera ziemlich schwierig einzufangen. Oder halt auf dem Objektträger unter dem Mikroskop, aber die sind ja dann "verloren".

      Ich dünge sie nun regelmäßig mit f/2. Ich meine gegenüber gestern schon eine leichte Zunahme der Dichte erkennen zu können. Auch scheinen sich einige "abzulagern" auf dem Boden (keine Belüftung), allerdings genau an der Stelle, wo das meiste Licht hinscheint. : gruebel : Finde ich interessant.

      Momentan kann ich nur spekulieren, aber in einem wissenschaftl. Artikel habe ich mal gelesen, dass einige Algen bei der Teilung zu Boden sinken - einmal weil sie an Masse zunehmen und schwerer bzw. größer werden und zum Anderen weil sie aufhören sich zu bewegen während der Teilung. Ob das so auch auf Tetraselmis zutrifft hab ich noch nicht rausfinden können. Wenn das hier auch so ist, wäre das Absinken eher ein positives Zeichen der starken Vermehrung (sogenannte "logarithmische Phase"). Ich schwenke die Kultur daher täglich zwei mal, um die Zellen am Boden aufzulockern.
      Wird sicher länger dauern als die üblichen 7-10 Tage, bis ich den Behälter in dunkelgrün bewundern kann... :foto: ... wenn denn alles gut geht...
      LG Karsten
    • Momentan befinden sie sich in diesem Behälter (4 ml):

      Die grünen Punkte sind Tetraselmis


      Hier sieht man sie im Gegenlicht aufblitzen, wenn sie sich bewegen

      Ich komme eigentlich aus der Mikroskopie-Szene, wo man in Tümpeln Proben nimmt und dann schaut was sich da alles so drin befindet. Aber ich finde das marine Phytoplankton interessanter und die meisten Infos dazu gibts hier in der Aquaristik-Szene. : nicken :
      LG Karsten
    • Ewald schrieb:

      freibewegliches Phyto wie Tetra, Iso und Rhodomonas wird besser mit Dünger nach Walnes gedüngt.
      Hallo Ewald, danke für den Hinweis! : daumen hoch : Muss ich mal ausprobieren, was der Dünger für einen Unterschied macht.

      Habe mich bisher durch wissenschaftl. Artikel inspirieren lassen, fand dort aber immer wieder nur Experimente mit f/2 bei Phytos allgemein, auch bei Tetraselmis. : gruebel :
      Soweit ich sehen konnte sind die Vitamine teils 10-fach höher dosiert beim Walnes, sonst fehlt da anscheinend nur Kalium.
      LG Karsten
    • Drei Tage später sieht es in den Behältern so aus (4 ml):


      Video mit 15-fach Lupe:
      youtube.com/shorts/6nnUILG6Vdw
      Es wimmelt so vor sich hin. Die Zelldichte steigt. Steigen auch ab und an immer mal wieder Luftblasen vom Boden auf. : gruebel :

      Ich habe mittlerweile nochmal geteilt auf mehrere Behälter, die ich täglich zwei mal schwenke. Was mir auch aufgefallen ist:
      Direkt nach der Düngung fallen die meisten Zellen auf den Boden und das Wasser wird etwas klarer. Nach ein paar Tagen befinden sich dann aber mehr Zellen freischwebend als vorher. Das wirkt eher so danach als ob die Zellen zur Teilung ihre Bewegung einstellen und dadurch zu Boden sinken würden. Zumal eine Tetraselmis-Zelle mehr als doppelt so groß ist als Nannochloropsis (10 µm zu 4 µm) und dadurch schwerer. Sehe ich daher momentan nicht als Problem, sondern als Normal bzw. positives Zeichen. Ich frage mich grad nur wie dicht ich eine Kultur bekommen kann nur mit Schwenken...

      Einige Behälter sind eher hellgrüner als andere, die habe ich sparsamer gedüngt. Ich bekomme den Eindruck, als wäre Tetraselmis "gefräßiger" als Nannochloropsis.
      Den Conway (Walne-)Dünger habe ich noch nicht. Werde damit später auch noch ein paar Versuche machen. Den wissenschaftl. Artikeln nach, die ich dazu gefunden habe, soll die Biomasse damit um 40% steigen. Aber das ist Euch alteingesessenen Züchtern eh alles schon bekannt (@Ewald). :thumbup: :)

      Ich freu mich so, dass das appipettieren so gut geklappt hat. :freuen:
      LG Karsten
    • Weiter gehts. Nach etwa 6 Tagen sehen die Behälter so aus:


      Es grünt so grün (in 33 ‰ bzw. 3,3% Meerwasser)
      Ich dünge immer noch mit f/2 (Guillard) statt Conway (Walne), einfach weil ich noch keinen habe. :D Daher kann ich zum Unterschied noch nichts sagen. Hole ich aber nach.

      Interessant, wie vom Boden ständig Luftblasen aufsteigen. Jetzt weiß ich, warum man das Ganze "Reaktor" nennt:

      Große Luftblasen steigen auf (15-fach Lupe). Die kleinen Punkte sind Tetraselmis, die alle nach oben treiben, weil durch das Bewegen des Behälters eine laminare Strömung entsteht und alles durchwirbelt. In dieser kleinen mikroskopischen Welt löst das einen regelrechten Orkan aus, obwohl der Behälter nun schon eine Weile völlig stillsteht. Was da erst für ein Armageddon entsteht, wenn ständig stark belüftet wird, mag ich mir nicht ausmalen. :nein:

      Ich habe mir mal den Bodensatz näher angeschaut, der sich bildet nach dem Düngen. Sehr viele Bakterien befinden sich zwischen den unbeweglichen Tetraselmis und verklumpen dann mit diesen zu Zellhaufen:

      Mikroskopaufnahme: unbewegliche Tetraselmis vom Bodensatz und Bakterien verklumpt (400-fach). In der Mitte ist ein "Bakterienfresser" zu sehen (wie ich sie nenne): Ist festgewachsen und strudelt durch feine Härchen ständig Bakterien in den Schlund. Insofern recht nützlich diese Dinger. : fisch : Er war übrigens auch teil der Stammlösung vom "Fachhändler". X/
      Was auffällt: Die Tetraselmis sinken zwar nach der Düngung zu Boden, verbleiben dort aber nicht. Wenn der Dünger nach ein paar Tagen zur Neige geht, wird der Bodensatz geringer. Außerdem bleibt auch alles dunkelgrün und wird nicht heller. Ich habe nun mal testweise einen Behälter mit 50‰ bzw. 5% Meerwasser+Tetraselmis angelegt um zu sehen, ob das die Bakterienlast dann später verringert.

      Hier mal zum Gegensatz ein Behälter, indem die Kultur "zusammengebrochen" ist:


      Ich muss mir Diesen noch unter dem Mikroskop ansehen um herausfinden, was genau passiert ist. Den Behälter habe ich einige Tage mit weniger Dünger versorgt und testweise stark geschwenkt (fast schon zentrifugiert). Das hat eine Menge Zellrückstände an die Wände geschleudert - scheinbar waren die Scherkräfte zu hoch. Trotz nun stärkerer Düngung verändert sich nichts mehr daran. Es leben noch Tetraselmis, aber die Zelldichte hat sich verringert und offensichtlich sind die Zellen am Boden (hellgrün) alle tot.
      LG Karsten
    • Karsten schrieb:

      In der Mitte ist ein "Bakterienfresser" zu sehen (wie ich sie nenne): Ist festgewachsen und strudelt durch feine Härchen ständig Bakterien in den Schlund. Insofern recht nützlich diese Dinger.
      Sieht nach einem Glockentierchen aus.

      Gruß

      Wolfgang
      Die Aquaristik ist eine Liebhaberei, bei der die Liebe im Vordergrund stehen soll und nicht die Haberei!