Anemonenfische

    Aus Gründen der Höflichkeit bitten wir das Geschriebene mit seinem Vornamen zu kennzeichnen, Danke, das Team der IG.

    • Anemonenfische

      Hallöchen,
      ich wieder mal.
      Vor einiger Zeit hatte ich mal einen Beitrag über Anemonenfische verfasst, den ich aber nie abgeschickt hatte. Heute wird's wohl auch nix mehr.. Aber vielleicht ist es ja für den einen oder anderen hier interessant?
      LG Helmut

      Das Geheimnis der Anemonenfische
      Helmut Strutz

      Als der erste Anemonenfisch vor beinahe 250 Jahren beschrieben wurde, war über das Zusammenleben mit Anemonen nichts bekannt. Wie auch, das Tauchen war noch nicht erfunden und unter Wasser zu schauen war 1758 noch nicht so einfach. Erst später erkannte man das Phänomen, dass da Fische in einer normalerweise tödlichen Umwelt lebten. Ab dieser Zeit begannen Untersuchungen über und Versuche mit den Anemonenfischen. Die letzten 15 Jahre ist es aber ruhig geworden, obwohl keineswegs die anfänglichen Fragen abschließend beantwortet sind. Es gibt mehrere Theorien für den Schutz der Fische vor den Nesselkapseln, einige sind ziemlich wunderlich, andere wiederum logisch.
      Nach Kenntnisstand von 1994 sind 28 Arten Anemonenfische wissenschaftlich beschrieben worden, wobei die Gattungen Premnas eine Art undAmphiprion 27 Arten umfassen (FAUTIN & ALLEN, 1994). Beide Gattungen leben ausschließlich im Pazifik. Nicht eine Art hat den Sprung in den Atlantik geschafft. Vom Roten Meer und Ostafrika bis nach Polynesien sind die Fische verbreitet. Alle Arten leben in Symbioseanemonen mehrerer Arten. Gelegentlich findet man eine Gruppe von mehreren Fischen einer Art in einer Anemone. Dabei handelt es sich um ein Paar und mehrere Jungfische. So kann man in der Literatur regelmäßig nachlesen. Ist das aber wirklich so? Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Fische genetisch nicht geschlechtlich differenzierbar sind. Es sind Hermaphroditen, die entweder als Weibchen oder als Männchen fungieren! Der größte und dominante Fisch fungiert als Weibchen, der zweitstärkste als funktionelles Männchen. Die anderen und zum Teil erheblich kleineren Tiere befinden sich in Wartestellung. Das müssen keine Jungfische sein, sie können durchaus das Alter der geschlechtlich aktiven Fische haben. Sie erleben eine Wachstumsexplosion, wenn das aktive „Paar“ entfernt wird. Das Leben in den Anemonen ist überaus interessant, denn diese Hohltiere besitzen ja bekanntermaßen in ihrem Gewebe Nesselzellen, die Nesselkapseln enthalten und für den Fang von Beutetieren verantwortlich sind. Das tun die Nesselkapseln aber nicht aktiv, sie explodieren bei Berührung. Dabei kleben die Beutetiere entweder fest, oder sie werden von den Giftpfeilen der Nesselkapsel durchbohrt und von dem austretenden Gift gelähmt oder getötet. Das hängt von der jeweiligen Anemonenart ab. Dabei können recht große Tiere erbeutet werden. Wenn z.B. ein Fisch die Tentakel einer Anemone berührt, wird er sich durch den Schmerz erschrecken und zusammenzucken. Dadurch berührt er immer weitere Tentakel und immer mehr Nesselkapseln werden ausgeschleudert. Das Opfer wird letztlich getötet und von der Anemone zur Mundöffnung transportiert und verschlungen. Das bleibt den Anemonenfischen erspart, denn sie können sich ohne Schaden zu erleiden im Tentakelwald der Hohltiere kuscheln. Aber wie schützen sich die Fische vor den gefährlichen Giftpfeilen?
      Im Jahr 1967 entwickelte SCHLICHTER eine Theorie, die von einigen Autoren bis heute anerkannt wird. Demnach sollen die Fische durch vorsichtige Berührung der Anemone deren Schleim mit den darin enthaltenen Schutzstoffen in ihre eigene Schleimhaut übernehmen. Nach einiger Zeit könnten die Fische dann vollständig in die Anemone eintauchen. Diese Erklärung galt lange Zeit wie ein Dogma und andere Interpretationen waren kaum vorhanden. BAENSCH& PATZNER (1998) halten an Schlichters Erklärung fest, räumen aber vorsichtig ein, dass einige Arten andere Strategien entwickelt haben könnten. SCHLICHTERhatte ausschließlich Amphiprion bicinctus im Roten Meer untersucht. PATZNER (1987) lehnt übrigens Aquarienbeobachtungen als nicht aussagefähig ab. Andererseits gibt er zu, dass Freiwasserbeobachtungen an Larven praktisch unmöglich sind (BAENSCH/ PATZNER 1998). EIBL- EIBESFELD (1980) erwähnt eine hochinteressante Arbeit der Japaner MIYAGAWA & HIDAKA. Die Wissenschaftler zogen Amphiprion clarkii im Aquarium nach. Die Larven wurden nach dem Schlüpfen von den Elterntieren und den Anemonen getrennt. Im Alter von 17 Tagen wurden die Jungtiere mit Anemonen zusammengebracht. Der Wasserstand war so niedrig gewählt, dass die Fische mit den Tentakeln in Berührung kommen mussten. 60 Jungtiere wurden mit Anemonen zusammengesetzt, mit denen sie auch im Riff leben. Alle Kandidaten überlebten. 25 Jungfische kamen in die Gesellschaft nichtsymbiontischer Arten, nicht einer überlebte! Die Japaner kamen zu dem Schluss, dass der Schutz angeboren sein muss, oder von den Elterntieren "vererbt" wurde. Dieses Resultat war FAUTIN& ALLEN (1994) bekannt, denn in ihrem Buch wird die Arbeit von SCHLICHTER nicht mehr erwähnt. Sie halten es vielmehr für wahrscheinlich, dass die Anemonenfische den Schutzstoff schon bei der Geburt erhalten, er also "angeboren" ist.
      FOSSÅ& NILSEN (1993) halten "einen besonders starken Schleimbelag" für möglich, der die Fische vor der Nesselkraft der Anemonen schützt. Uneinigkeit soll den Autoren nach darüber bestehen, ob die Schleimhaut einen Schutzstoff enthält, oder ob der Stoff fehlt, welcher das Auslösen der Nesselkapseln provoziert. Untersuchungen ergaben übrigens, dass die Schleimhaut der Amphiprion- Arten sich von denen anderer Fische nicht grundsätzlich unterscheidet (Fautin & Allen, 1994).
      Eine Reihe von Wissenschaftlern geht davon aus, dass die Fische nicht einfach die Anemonen wechseln können. Können sie das wirklich nicht? Sie können es!
      Ein Dresdener Aquarianer besaß einen A. perideraion, zu dem später noch zwei A. ocellaris kamen. Es war aber nur eine Riffanemone vorhanden. Der stärkere A. perideraion vertrieb die A. ocellaris regelmäßig aus der Riffanemone und so gaben sich die Verlierer mit der "Anemonia cf. majano"zufrieden. Am Abend aber, kurz bevor das Licht verlöschte, stürmten die A. ocellaris in die Riffanemone und wurden erst am nächsten Morgen wieder vertrieben!
      Immer, wenn ich über Anemonenfische lese, fällt mir eine Beobachtung ein, die ich 1988/1989 zu Papier brachte (Strutz 1988/1989):
      Im April 1988 bekam ich drei Jungtiere von Amphiprion frenatusaus der Nachzucht von meinem Freund Reinhard WEHLE/ Dresden. Die Fische waren zwischen 12 und 15 mm groß und ich setzte die Winzlinge erst einmal in ein 90 Liter fassendes Aquarium, das mit meinem damaligen 250 Liter- Aquarium im Kreislauf verbunden war. In letzterem befanden sich Leder- und Weichkorallen, Krusten- und Scheibenanemonen und auch einige Aktinien, die wir heute als Feueranemonen (Anemonia cf. majano) kennen. Nach einer Woche hatte ich die ständige Prügelei der jungen A. frenatus satt und setzte sie kurz entschlossen in das 250 Liter-Aquarium. Die Fische schwammen zu meinem Entsetzen direkt aus dem Schöpfbecher in die Anemonen! Sie badeten in den Tentakeln und ließen es sich richtig gut gehen. Mein Schreck legte sich langsam und ich staunte nicht schlecht! Da die A. cf. majano nicht zu den "Symbioseanemonen" zählt, kann der Schutzstoff kaum angeboren sein. Vielleicht sind die Fische ja in der Lage, den Schutzstoff der Anemone chemisch wahrzunehmen und selbst zu bilden? Ein langsames Kontaktaufnehmen gab es definitiv nicht! Nach FAUTIN& ALLEN (1994) geben "Symbioseanemonen" (und wahrscheinlich alle anderen auch) Duftstoffe an das Wasser ab. Da beide Aquarien bei mir miteinander im Wasseraustausch standen, konnten die Fische die Anemonen zumindest „riechen“! MIYAGAWA& HIDAKA gaben ihren Fischen offensichtlich keine Möglichkeit, den Schutzstoff der nicht symbiontischen Anemonen wahrzunehmen. Wie EIBL-EIBESFELDberichtet, wurden die Larven kurz nach dem Schlupf von den Anemonen und den Elterntieren getrennt. Es sieht so aus, als wäre der Schutzstoff von "IHREN" Symbioseanemonen angeboren, es scheint aber auch so, als könnten die Fische den Schutzstoff anderer Anemonen analysieren und selbst bilden!
      1997 erstand ich ein Paar A. sandaracinos ohne Anemone, die gab es gerade nicht. Also musste ich und vor allem die Fische warten. Die haben sich dann einfach eine Sarcophython trocheliophorum als Partner auserwählt und fühlten sich darin ganz wohl. Dann endlich, einige Wochen später, bekam ich die bestellte Heteractis crispa, eine Anemone, die von fast allen Anemonenfischen angenommen wird. Bei meinen Fischen belegte die Anemone überraschenderweise nur den zweiten Platz, denn aus der Pilzkoralle wollten sie nicht raus! Da blieb nur der Griff in die Trickkiste. Ich entfernte die Lederkoralle und stellte die H. crispa an ihren Platz. Die Anemonenfische waren irritiert und suchten nach ihrem Partner. Dabei blieben sie aber immer in unmittelbarer Nähe der Anemone, denn weiter reichte ihr Revier nicht. Die Lederanemone wurde von den Fischen nicht berührt. Ich saß vor meinem Aquarium und beobachtete den Fortgang dieser spannenden Geschichte. Dann kam die Zeit in der das Licht ausgeht und die Fische hatten noch keinen Schlafplatz. Das Licht ging aus und schon stürzten sich die Anemonenfische kopfüber in die H. crispa. Da war nichts mit langsam Kontakt aufnehmen, mit Anlauf und Schwung hinein- so wird’s gemacht! Es wurde also kein Schleim von der Anemone übernommen und von vorsichtiger Kontaktaufnahme kann man ja wohl auch nicht sprechen.
      Beobachtungen im Aquarium sind sicherlich mit Vorsicht zu genießen, immerhin sind viele Situationen im Aquarium außergewöhnlich und würden im Freiwasser so niemals geschehen. Andererseits kann man bestimmte Fertigkeiten unserer Pfleglinge im Freiwasser logischerweise kaum beobachten. Das Wechseln zwischen verschiedenen Anemonenarten gehört sicherlich dazu, aber auch die Möglichkeit des mehrmaligen Geschlechtswechsels, der von THALER (1993) beschrieben wurde. Ich denke schon, dass die Meeresaquarianer einiges an Beobachtungen zum besseren Verständnis unserer Pfleglinge beitragen können. Ich weiß auch, dass man sich als Laie bei Schlussfolgerungen zurück halten sollte, aber – man kann es ja mal versuchen!


      Literatur:
      Baensch, H. A. und R.A. Patzner (1998): Meerwasseratlas. Band 7. Mergus- Verlag. Melle
      Eibl-Eibesfeld, I. (1991): Die Malediven (4. überarbeitete Auflage). Piper & Co. München und Zürich
      Fautin, D. und G. Allen(1994): Anemonenfische und ihre Partner. Tetra- Verlag, Melle
      Fossà, S. A. und A.J. Nilsen (1993): Korallenriffaquarium. Bd. 3.
      B. Schmettkamp Verlag. Bornheim
      Patzner, R. A. (1987). Briefliche Mitteilung
      Strutz, H. (1988/1989): Korallenmeer-Magazin. Vereinszeitschrift des Vereins „Korallenmeer“. Hamburg
      Thaler, E. (1993): Fische beobachten. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart
    • Hallo,
      heute kam auf 3sat ja eine größere Doku über die Ozeane. U.a. ging's auch um die Anemonenfische. Da habe ich mich wieder richtig geärgert, denn es wurde ziemlicher Unsinn erzählt und langst widerlegte Weisheiten verbreitet. Ich denke sowieso, das für solche Dokumentationen keine Wissenschaftler als Berater herangezogen werden sollten, sondern besser Meeresaquarianer. Aber das ist meine Meinung.
      LG Helmut
    • Hallo Henning,
      zumindest ich habe stundenlang im Roten Meer den A. bicintus beobachtet. Und mehrere Tiere in ihren Anemonen. Über die "Geschlechter" ist heute genug bekannt, aber man muß das eben auch lesen. So wesentlich unterscheidet sich das Verhalten der Amphiprion-Arten im Aquarium ja nicht von dem im Freiwasser. Vorausgesetzt sie werden auch artgerecht gepflegt. Über "artgerecht" möchte ich jetzt aber nicht diskutieren. Was dort aber erzählt wurde ist schon seit vielen Jahren nicht mehr aktuell.
      LG Helmut
    • Hallo Helmut,

      das kann ich gut verstehen, dass Dich das ärgert, wenn da Altes oder Falsches verbreitet wird. Meiner Erfahrung nach ist das öfters mal der Fall, wenn man sich mit etwas selbst sehr gut auskennt, dass man dann feststellt, dass in den Medien - auch in denen, die vermeintlich seriös sind und gut recherchieren - Falsches erzählt wird. Ich ärgere mich dann auch jedesmal, aber noch schlimmer finde ich den Gedanken, dass das ja dann in anderen Bereichen, in denen man sich selbst nicht so gut auskennt, genauso ist. D.h. man fängt ganz schnell an, all diesen Berichten und Dokumentationen und Weisheiten zu misstrauen... wo kommt man dann hin?

      Heißt eigentlich nur, dass man bei Dingen, die einem persönlich wirklich wichtig sind, immer an mehreren Stellen Informationen einholen sollte... :)

      LG, Pat
      LG, Pat
    • Hallo Pat,
      man sollte schon alle Dokumentationen kritisch betrachten. In aller Regel schau ich mir Dinge an, die mich interessieren und über die ich mich schon informiert habe. Dokus über Korallenriffe sind natürlich für die Allgemeinheit gemacht. So wie öffentliche Schauaquarien ja nicht ausschließlich für Meeresaquarianer da sind. Nur wir sehen Unzulänglichkeiten, nicht der "normale" Besucher. So ist das auch bei Dokus im Fernsehen. Da ich ein vielseitig interessierter Mensch bin und unzählige Sachbücher habe und auch lese, fallen mir Ungereimtheiten und offensichtliche Fehler natürlich auf. Ganz schlimm wird es, wenn über das alte Ägypten und die "Grabmäler", die Pyramiden berichtet wird. Die Ägyptologen sind nämlich dogmatisch wie die katholische Kirche. Dort wird es zum Teil lächerlich. Aber das ist ein anderes Thema. Ändern können wir das eh nicht, aber kritisieren schon.
      LG Helmut