Rettung für Riffe

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    • Rettung für Riffe

      Die weltweite Nachfrage nach Korallen für Meerwasseraquarien ist groß; so groß, dass sich der Bedarf derzeit nicht ohne Wildfänge decken lässt. Darunter leiden die tropischen Riffe, viele von ihnen sind bereits beschädigt oder sogar zerstört. Um dem entgegenzuwirken, hat das Bremer Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) ein in dieser Form einmaliges Projekt zur nachhaltigen Korallen-Nachzucht gestartet.

      Rund drei Viertel aller Riffe sind laut einer 2011 vom Weltressourceninstitut veröffentlichten Studie durch menschliche Eingriffe wie Überfischung, Bauaktivitäten und Wasserverschmutzung sowie durch steigende Meerestemperaturen gefährdet. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hat der Handel mit tropischen Korallen. "Es ist unglaublich, wie viel Geld da hineinfließt", sagt Andreas Kunzmann, Leiter der Arbeitsgruppe Ökophysiologie am ZMT. "Das sind mehrere Milliarden Dollar pro Jahr, weil Privatleute, Restaurants oder Firmen sich mit Meerwasseraquarien schmücken wollen. Dass dadurch Korallen wegsterben, nehmen viele einfach in Kauf." Nicht so der Meeresökologe und seine Kollegen. Sie wollen erreichen, dass die Nesseltiere künftig nachhaltig gezüchtet und beschädigte Riffe erfolgreich restauriert werden können.

      Zauberwald unter Wasser

      Ein wenig sieht es aus wie ein kleiner unter Wasser angelegter Zauberwald, was die Bremer Forscher da in ihren Aquarien im Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie angesiedelt haben. Rosafarbene Polypen, die unterschiedlich gewachsene buschartige Gebilde formen: einige mit Gummis an zylinderförmigen Halterungen befestigt, andere an dünnen Fäden ins Wasser hängend. In regelmäßigen Abständen lösen die Wissenschaftler die Korallenfragmente aus ihrer Verankerung und begutachten, wie sich die bei der Abtrennung von größeren Kolonien entstandenen Wunden entwickelt haben.

      Interessant ist das deshalb, weil die Koralle für die Wundheilung Energie benötigt – und diese Energie fehlt ihr dann für ihr Wachstum und für die Fortpflanzung. Zwei der grundlegenden Fragen des Bremer Forschungsprojekts "Verbesserte sexuelle und asexuelle Vermehrung von Korallen" lauten daher: Was kann man tun, damit die Wunden schneller heilen? Und führt eine schnellere Heilung letztlich dazu, dass sich die Koralle rascher reproduziert? "Das ist eine spannende Sache", sagt die mit dem Vorhaben betraute Doktorandin Pia Kegler. "Im Moment sieht es so aus, als würden Wundstellen bei hängenden Korallen schneller zuwachsen als bei stehenden und substratgebundenen."


      Doktorandin Pia Kegler und Andreas Kunzmann, Leiter der Arbeitsgruppe Ökophysiologie am Bremer Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie, erforschen die optimalen Aufzuchtbedingungen für Korallen. Foto: Pressedienst Bremen

      Fortpflanzung soll planbar werden

      Für ihren Chef Andreas Kunzmann könnte das ein Ansatzpunkt sein, auf dem sich aufbauen lässt. Der Projektleiter befasst sich seit der Gründung des ZMT im Jahr 1991 mit den Küstenökosystemen der Tropen, zuletzt mit einem Schwerpunkt auf der Aufzucht von Clownfischen. Nun untersuchen er und sein Team in Zusammenarbeit mit drei Unternehmen aus der Privatwirtschaft, unter welchen Bedingungen die Nachzucht von Korallen besonders vielversprechend ist. Dabei haben die Wissenschaftler beide möglichen Fortpflanzungsarten der Koralle im Blick: die ungeschlechtliche, bei der die Vermehrung durch abgetrennte Bruchstücke erfolgt, und die geschlechtliche, bei der aus befruchteten Eizellen Larven entstehen.

      Letztere ist aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet wertvoller, weil sie die genetische Vielfalt einer Kolonie erhöht und es den Korallen so ermöglicht, besser auf Störungen aus der Umwelt zu reagieren. Allerdings hat sie den Nachteil, dass sie derzeit noch nicht planbar ist. Unter welchen Umständen kommt es zur Fortpflanzung? Warum siedelt sich eine Larve an einer bestimmten Stelle an und nicht an einer anderen? Warum überlebt sie hier und nicht dort? Fragen wie diese sind bisher unbeantwortet, was sich nun bis zum Projektende in knapp zwei Jahren ändern soll.

      Um das zu erreichen, arbeiten Kunzmann und sein Team wie schon bei der Clownfisch-Forschung mit unterschiedlichen Materialien, auf denen sich die Larven niederlassen sollen, sowie mit verschiedenen Bakterienarten, die nach bisherigem Kenntnisstand Einfluss auf die Ansiedlung haben. "Wir sind auf der Suche nach Kombinationen, in denen die Fortpflanzung besonders gut funktioniert", erläutert der Meeresökologe. In einigen Korallenfarmen werde bereits versucht, bestimmte schnell wachsende Arten nachzuzüchten, was aber sehr aufwendig sei. Mit dem jetzigen Wissen sei es völlig utopisch, den weltweiten Bedarf zu decken. "Wir haben nicht den Traum, das beheben zu können", sagt Kunzmann. "Wir hoffen aber schon, dass wir durch Aufklärung und Empfehlungen dazu beitragen, den Meerwasseraquaristikhandel nachhaltiger betreiben zu können." So sei es eines der Projektziele, Händler und Aquarianer mit Informationen über besonders geeignete Arten und ideale Bedingungen für die Nachzucht zu versorgen.


      Der steigende Bedarf an Korallen für Meeresaquarien gefährdet die Riffe massiv. Das Bremer Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie forscht deshalb an einer nachhaltigen Korallen-Nachzucht. Foto: Pressedienst Bremen

      Suche nach optimalen Aufzuchtbedingungen

      Belastbare Zahlen darüber, wie viele Aquarien betrieben werden und wie viele Korallen in den Handel kommen, gibt es nicht. Fest steht, dass es viele sind. Nach Aussage von Meeresbiologin Christiane Schmidt vom Verein "Engagement der Seewasser-Aquarianer für Internationalen Artenschutz" (ESAIA) gehen Experten von geschätzten zwei Millionen Meerwasseraquarien weltweit aus. Vermutlich werden jedes Jahr mehrere Millionen Korallen gehandelt. "Das ist ein Raritätenhandel", berichtet die Expertin. "Jeder versucht, sich von den anderen abzuheben und etwas Besonderes zu haben." Seit einigen Jahren sei zu beobachten, dass der Markt immer mehr unterschiedliche Arten nachfrage, die in den
      8 Korallenfarmen noch nicht kommerziell rentabel nachgezogen werden könnten. "Da ist ein Projekt wie das des ZMT sehr wichtig, damit diese Arten dann auch aus nachhaltiger Nachzucht angeboten werden können und die natürlichen Ressourcen nicht weiter belastet werden", meint Schmidt.

      Die Bremer Wissenschaftler konzentrieren sich bei ihrer Forschung zunächst auf die beiden schnell wachsenden Arten Pocillopora damicornis, auch bekannt als Busch- oder Himbeerkoralle, sowie die verwandte Pocillopora verrucosa. "Wir wollen versuchen, die Ergebnisse später auch auf andere Korallenarten zu übertragen", berichtet Doktorandin Kegler. Vereinzelte sexuelle Vermehrungen hat es in den Aquarien des ZMT schon gegeben. Noch ist aber nicht klar, wann und warum das passiert. Aktuell werden die rund einen Millimeter großen und mit dem bloßen Auge gut zu erkennenden Larven mit kleinen Siebsäcken aufgefangen – perspektivisch wird die Menge des im Aquarium erzeugten Korallennachwuchses aber nicht ausreichen, um zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen. Wahrscheinlich im kommenden Jahr wird Pia Kegler daher in die Tropen reisen, um dort Larven für weitere Untersuchungen zu sammeln.

      "Eine erfolgreiche Korallennachzucht ist nur mit optimalen Aufzuchtbedingungen zu erreichen", betont Kunzmann. "Wir müssen darum die artspezifischen Vorlieben der Larven sehr genau kennen." Letztlich komme das sowohl dem Aquaristikhandel als auch dem Erhalt und der Wiederherstellung der Riffe zugute. "Und die sind für viele Millionen Menschen in den Tropen überlebensnotwendig."

      Autorin: Anne-Katrin Wehrmann

      Mehr unter: www.zmt-bremen.de

      Pressekontakt:

      Andrea Daschner
      Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
      Tel.: +49 421 238 00 72
      andrea.daschner[at]zmt-bremen.de

      Quelle: Pressedienst aus dem Bundesland Bremen: pressedienst.bremen.de
      - "Mein kleines azooxanthellates Aquarium" -

      Beste Grüße
      Harald