Themenabend Januar: Die Mikrobiologie im Aquarium – Schwerpunkt Einlaufphase

    Aus Gründen der Höflichkeit bitten wir das Geschriebene mit seinem Vornamen zu kennzeichnen, Danke, das Team der IG.

    • Themenabend Januar: Die Mikrobiologie im Aquarium – Schwerpunkt Einlaufphase

      Die Mikrobiologie im Aquarium – Schwerpunkt Einlaufphase

      Das liebe Freunde, war der erste Themenabend dieses Jahr, der uns von Knut präsentiert wurde. Wir alle haben die ersten spannenden Tage bis zu Beginn des Besatzes als eine Zeit erlebt, in dem im Aquarium eine stürmische Entwicklung abläuft. Dass sie für den Betrieb und die Beständigkeit des Aquariums eine ganz große Rolle spielt und was da genau passiert dürfte bekannt sein. Oder doch nicht?
      Ausgangspunkt der Mikrobiologie sind nicht die Bakterien wie oft angenommen wird, sondern Pilze, Viren, Protozoen, Microzoa, die den Start hinbekommen. Halophile (salzliebende) Bakterien wurden erstmals 1963 nachgewiesen. Das ist erstaunlich, da die Anzahl der Mikroorganismen in der Biomasse einige Zehnerpotenzen im Verhältnis zu Volumen und Artenvielfalt gegenüber anderen Tierarten überwiegen. Und sie sind in der Lage fast jedes Nahrungsangebot für den Stoffwechsel zu nutzen. Dabei sind diese Organismen fast immer an Substrate gebunden und weisen teilweise eine hoch spezialisierte Lebensweise auf. Die meisten Organismen haben eine extrem kurze Generationszeit und können sich sehr schnell vermehren. Knut nannte als Beispiel die Cyanobakterien, die in der Lage sind sich alle 20 Minuten zu reproduzieren. Alle zusammen bilden eine typische oder charakteristische Lebensgemeinschaften, weisen dabei unterschiedliche Gradienten im Vorkommen vor allem an Grenzschichten zwischen Medien auf. Bekannt als Oberflächenfilm bei wenig bewegten Wasser oder auf Substraten wo sie Biofilme bilden. Wichtig für das Aquarium sind Pilze und Hefen; die Hefen haben eine heterotrophe Ernährungsweise und benötigen daher eine Kohlenstoffquelle. Schon oft wurde auf dem Nutzen von Naturwasser hingewiesen ohne näher auf diese Organismen einzugehen. Dabei sind sie in Küstennähe im Flachwasser durch die Sedimentbewegungen auch im Freiwasser und können so dem Aquarium zugeführt werden. Voraussetzung für den sicheren Betrieb des Aquariums ist eine hohe Diversität, die durch die Vielzahl der Stoffwechselvarianten entsteht.
      Im Aquarium entsteht noch vor der bakteriellen Besiedlung ein „Initialfilm“ bestehend aus organischen Molekülen auf den unbelebten Substraten innerhalb weniger Tage. Dadurch wird die Oberflächeneigenschaft des Substrates verändert, es entsteht eine Änderung des elektrischen Ladepotenzials, was in der Regel die Voraussetzung für eine Besiedlung durch Tiere ist. Dabei sind höhere Tiere oder Larven durchaus in der Lage selektive Entscheidungen zu treffen oder ihre Entwicklung wird verzögert, wenn sie ungünstige Bedingungen vorfinden. Dieser Prozess der Initialbesiedlung beginnt nach wenigen Tagen und kann mehrere Wochen andauern. Auf diese Initialbesiedlung aufbauend erfolgt die Besiedlung durch Diatomeen und später das Zooplankton. Bakterien sind überwiegend Substrat gebunden oder an Mikropartikel im Freiwasser oder Oberflächen.
      Ein Streitpunkt ist, welche Substrate sich als geeignet erweisen oder womit bestücke ich das Aquarium. Kunstsubstrate, Keramik, natürliche Substrate wie Lebendgestein- hier haben wir langjährige Erfahrungen. Wir empfehlen eine Kombination aus Keramik, Lebendgestein in einem Filter und eine handvoll Bodengrund aus einem laufenden Aquarium. Das garantiert ein gut laufendes Aquarium, bei dem man immer eine gewisse Kontrolle ausüben kann ohne sich ungeliebte Insassen anzusiedeln. Nach unseren Erfahrungen ist der Zeitfaktor von etwa 3 Monaten entscheidend, in dem die Einlaufphase ungestört ablaufen sollte. Auch wenn Notbesetzungen aus einem havarierten Aquarium gelegentlich erfolgreich praktiziert wurden, gehen solche Aktionen oftmals schief.
      Das Hauptproblem ist die Einstellung der Bedingungen für die Vielzahl der Organismen. Dabei sind die Hauptkomponenten N,P,S und C in einem bestimmten Verhältnis zueinander zu halten. Werden Keramiken benutzt, ist der Überschuss an Si zu beachten, was durchaus einige Zeit Probleme machen kann. Oder das Leitungswasser, bei dem die Wasserwerke gern Si zusetzen (Korrosionsschutz) in den Wintermonaten. Die meisten werden kaum um eine Aufbereitung des Wassers herumkommen, es sei denn sie bewohnen ein Haus mit mehreren Mietparteien. Betrachtet man die Nährstoffe, so muss ein bestimmtes Verhältnis zueinander vorhanden sein und eine ausgeglichene Nährstoffbilanz ist anzustreben. Betrachtet man zum Beispiel Phosphor, dann ist der Bereich zwischen 0,01-0,09 völlig in Ordnung. Leider sind die Messmethoden nicht immer aussagefähig oder vielfach ungenau. Nitratwerte zwischen 5-50 mg sind auch in Ordnung und weniger als schwerwiegendes Problem zu sehen. Liegt dagegen ein Problem mit P und / oder N vor, dann ist immer auch ein Problem mit der Kohlenstoff Versorgung vorhanden. Oftmals wird dem Kohlenstoff viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet! Dabei benötigen unsere Destruenten diesen Nährstoff und zwar in organischer Form. Für die heterotrophen Organismen kann man dafür Alkohol, Essig, Traubenzucker oder auch Zellulose (in Form von Baumwollwatte) benutzen. Der Gehalt Kohlenstoff beträgt etwa 1-2 ml/100 Liter Wasser. Wichtig für die Konkurrenzsituation zwischen den Organismen sind immer stabile Verhältnisse.
      Knut hat noch eine Empfehlung: Während der Einlaufphase ist es besser die ersten 14 Tage auf Licht zu verzichten und dann langsam das Lichtangebot zu steigern. Das lässt den Prozess der Biofilmausbildung wesentlich gleichmäßiger ablaufen.
      Aus meiner Erfahrung möchte ich noch hinzufügen, dass ich die Festsubstrate regelmäßig mit einem Wasserstrahl bearbeite um Sedimente und übermäßig dicke Beläge abzutragen, was dem Aquarium gut bekommt.
      Als Literatur empfiehlt Knut das Buch Mikrobiologie des Meeres der Autoren Lutz Ahrend Meyer-Reil.
      http://www.amazon.de/Mikrobiologie-Meeres-Eine-Einführung-Uni-Taschenbücher/dp/3825226794

      Lieber Gruß,
      Dietmar
      FG Meeresaquaristik Berlin-Brandenburg
    • Hallo Dietmar, Hallo Knut

      Vielen Dank für die Bereitstellung hier im Forum. Hätte da gerne mit diskutiert. :yes:

      Möchte aber dann gerne hier noch auf den ein oder anderen Punkt eingehen.

      Zitat:
      Wichtig für das Aquarium sind Pilze und Hefen

      Wie darf man das verstehen, und was für Pilze und Hefen sind gemeint? Ich persönlich kenne nur Hefen als Konkurrenz zu den Cyanobakterien.

      Zitat:
      Dabei sind die Hauptkomponenten N,P,S und C in einem bestimmten Verhältnis zueinander zu halten

      Wie darf man das Verhältnis in Zahlen definieren?

      Zitat:
      Knut hat noch eine Empfehlung: Während der Einlaufphase ist es besser die ersten 14 Tage auf Licht zu verzichten und dann langsam das Lichtangebot zu steigern. Das lässt den Prozess der Biofilmausbildung wesentlich gleichmäßiger ablaufen.

      So bin ich früher auch vorgegangen, aber ich bin mittlerweile anderer Meinung, wie in meinem kleinen Leitfaden nachzulesen. Was ich aber nicht vorgebe oder rate sondern ist meine persönliche Ansicht.
      - "Mein kleines azooxanthellates Aquarium" -

      Beste Grüße
      Harald
    • Hallo Harald, Hallo Dietmar
      Zunächst viele Dank an Dietmar für die Zusammenfassung!
      Ich denke mal, dass auf der Seite der Fachgruppe die Charts zum Vortrag eingestellt werden, damit die Diskussion einfacher wird.
      Zu Deinen Diskussionspunkten Harald
      1.Bedeutsam sind natürlich Bakterien und HEFEN und andere Pilze, habe explizit auf Hefen und andere Pilze verwiesen, da sie oft keinen Raum finden in der Diskussion. Sie sind aber extrem wichtig, als Konkurrenten z.B. Für Cyanos aber auch als Konsumenten/Destruenten für allerlei organisches Material und auch als Nahrung für Zooplankter.
      2.N,C,P sind die Hauptnährstoffe und müssen ausreichend vorhanden sein um Mikrobengesellschaften etablieren zu können. ich bin auf die generelle Bedeutung eingegangen. Auf die Konkurrenz um diese Nährstoffe und daraus entstehenden Selektionsdruck auf die Mikroben usw. An einem Zahlenverhältnis oder ähnlichem kann ich es nicht festmachen.
      3. Licht Naja meine These ist ja immer, dass am Anfang photosynthetisch lebende Organismen im Vorteil sind, Licht ist da Co2ist da und mineralische Nährstoffe auch , also kanns losgehen. Um die ein wenig einzubremsen und den heterotrophen Organismen zu helfen kann der Lichtentzug den autotrophen, photosyntischen Organismen etwas Tempo aus der Vermehrung rausnehmen und ihnen "das Leben etwas schwerer machen". deshalb auch die Zugabe von organischen Kohlenstoff, so 1bis 2ml auf 500l Wasser.
      Danach noch einige Zeit nur blaues Licht und dann weisses Licht steigern. Ist aber auch kein Dogma!!!! Ist eh die Frage, was die Nichtaqurianer der Familie zu dem Plan sagen, wenn das Becken im Wohnzimmer steht

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Knut w. ()

    • Hallo Harald,
      in dem Ostseewasser, was wir von Poel mitnehmen, sind überwiegend Rot- und einige Weißhefen nachgewiesen. Welche nun genau drin sind ist von verschiedenen Faktoren abhängig, Temperatur, Strömung, Licht um mal einige zu nennen. Es sind bei den wissenschaftlichen Untersuchungen 9 marine Hefen und bei den Pilzen 44 Arten bestimmt worden. Hefen und Pilze sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Filtrierer. Leider gibt es kaum Publikationen oder Forschung die sich mit diesen Organismen befassen und bei den tropischen Arten ist mir gar keine Veröffentlichung bekannt. Sieht man einmal davon ab, dass die ersten Publikationen Ende der 60iger Jahre verfügbar waren (naja für unsereinen) ist das eine relativ kurze Zeitspanne.
      Eine tropische Hefe habe ich von Anke isolieren können (eine Weißhefe) die lebt in einem Reagenzglas. Ich bin weit davon entfernt sie bestimmen zu können. Copepoden ernähren sich von diesem Material, vor allem die calanoiden.
      LG Dietmar
      FG Meeresaquaristik Berlin-Brandenburg