Adria Exkursion

    Aus Gründen der Höflichkeit bitten wir das Geschriebene mit seinem Vornamen zu kennzeichnen, Danke, das Team der IG.

    • Adria Exkursion

      ist ein Reisebericht von unserem verstorbenen Mitglied Klaus Bischoff.
      Kurz bevor die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland geschlossen wurde, reiste Klaus in das damalige Jugoslawien; heute ist dieses Territorium Bestandteil des Staates Kroatien. Es ist lange Zeit die letzte Reise eines Meeresaquarianers aus der DDR in diese Gegend gewesen. Soweit ich mich entsinne wurde dieser Artikel auf Grund der sich im August des gleichen Jahres anbahnenden Ereignisse nie veröffentlicht. Aus dem heutigen Blickwinkel auf die damaligen Ereignisse und auch hinsichtlich der Fähigkeiten und Grenzen in der Tierhaltung vor über 50 Jahren stelle ich Euch diesen Artikel zur Erstveröffentlichung im Internet vor und wünsche Euch viel Vergnügen beim Lesen. Ich habe die wissenschaftlichen Benennungen nicht verändert (auch wenn sie möglicherweise nicht mehr gültig sind) und nur geringfügige grammatische Korrekturen am Artikel vorgenommen.
      LG Dietmar

      Als Meerwasseraquarianer an der Adria
      Es ist wohl der Wunschtraum eines jeden Aquarianers seine Pfleglinge auch einmal in der freien Natur beobachten zu können. Man möchte ihre Umgebung kennen lernen und die Bedingungen unter denen sie leben müssen. Wie fangen sie ihre Beute, welche Organismen bilden ihre Nahrungsgrundlage, an welchen Orten halten sie sich auf, welche Verstecke wählen sie? Eine Fülle von Fragen auf die man oft nur an Ort und Stelle eine gültige Antwort geben kann.
      Es war für mich daher eine besondere Freude, als ich im Frühjahr 1961 vom Komitee für Wandern und Touristik eine Jugoslawienreise erhielt. Sie führte mich an den nördlichen Teil der Adria, in die Bucht von Rijeka. Wie man dem Atlas entnehmen kann, gibt es dort eine Menge größerer und kleinerer Inseln, so dass keine direkte Verbindung zum offenen Meer besteht. Die Dichte des Wassers beträgt dort 1.028, die Temperatur Anfang Mai 15-16°C in Oberflächennähe und die Sehtiefe etwa 15-20 Meter. Die Küste besteht aus Kalkfelsen und fällt an vielen Stellen senkrecht auf 2-3 Meter tief ins Meer. Der Bodengrund besteht aus Felsen, Geröll oder in größeren Tiefen zum Teil aus Sand. Hier, an den Hafenbefestigungen und an den Buhnen hat sich ein reiches und interessantes Tierleben angesiedelt, das für die nächsten zwei Wochen Ziel zahlreicher Beobachtungen über und unter Wasser werden sollte. Als langjähriger Meeresaquarianer hat man seine bestimmten Vorstellungen von der Adria, die sich auf Berichte, Filme, Reisebeschreibungen und nicht zuletzt auf das eigene Aquarium stützen. Dass diese Vorstellungen nicht immer ganz richtig sind, sollte mir schon mein erster Unterwasser Ausflug zeigen.

      Die erste unangenehme Überraschung war die Wassertemperatur; sie betrug trotz hochsommerlichen Wetters 15°C. Im Winter fällt sie noch erheblich weiter ab. Leider konnte ich hierüber keine gemessenen Werte in Erfahrung bringen. In den nächsten Tagen stieg die Oberflächentemperatur (etwa 3 Meter) bei spiegelglatter See auf 21°C an bis ein Fallwind aus dem Gebirge das Meer aufwühlte und innerhalb weniger Stunden die Temperatur auf 16°C senkte. Ein Beispiel welche Temperaturschwankungen ertragen werden, boten mir einige Witwenrosen, Sonnenrosen und Steingarnelen. Sie lebten in einer etwa 20 Liter fassenden Auswaschung des Felsens, die nur bei Flut oder starkem Wind Verbindung zum offen Wasser hatte. Die Temperatur betrug nach erfolgtem Wasseraustausch 15°C und erhöhte sich bei intensiver Sonneneinstrahlung, die das Gestein aufheizte, innerhalb weniger Stunden auf 25 30°C. Bei einsetzendem Wind oder steigender Flut wurde sie sehr schnell wieder abgekühlt. Als nächstes fiel mir auf, dass die Steine im Wasser fast völlig kahl waren und nicht von dichten Algen umwogt wurden, wie ich es von der Ostsee und dem eigenen Aquarium gewöhnt bin. Es gab keine Tangwälder wie in der westlichen Ostsee und keine üppigen Seegraswiesen. Es gab nur hin und wieder einmal einige Tangbüschel (Cystoseira stricta); der Tang wächst erst von einer solchen Tiefe an, in der er ständig von Wasser bedeckt ist. Würde er bei Ebbe (der Tiedenhub beträgt etwa 30-40cm) auch nur zeitweilig trocken liegen, müsste er in der großen Hitze vertrocknen da das Wasser meistens spiegelglatt ist und ihn keine Welle feucht halten könnte. Die einzige Pflanze der Gezeitenzone ist an schattigen Stellen verkümmerter Seetang, der einen schmalen Streifen aus etwa 2-3cm großen Exemplaren bildet. Bei der näheren Untersuchung einiger flach im Wasser laufender, glatt gewaschener Felsen fand ich eine Erklärung für die Armut von Algen. Es sind die Algen fressenden, kleinen Kreiselschnecken (Trochus, neu: Monodonta turbinata) die Steine abweiden und es garn nicht erst zu einem Bewuchs kommen lassen. Ein schönes Beispiel waren die kleinen Süßwassereinmündungen, die aus den Felsen kamen und die man schon von weitem durch ihren üppigen Algenwuchs erkannte. Es waren Meersalat und Darmtang, die wir auch in der Ostsee antreffen. Je mehr das Wasser ausgesüßt war, um so üppiger wurden sie, denn die Schnecken kamen nicht so weit mit ins Brackwasser. Andere Algen fressende Schnecken waren die Napfschnecken (Patella) und eine im Boden lebende Art (Cerithium vulgatum). Sie wird etwa 4-5cm lang und erinnert in Aussehen und Lebensweise an die von Süßwasser her bekannte Turmdeckelschnecke. Ihre Gehäuse werden gerne von Einsiedlerkrebsen besetzt. Welche Algenmengen gerade diese Art fressen kann, erlebte ich dann zu Hause, als sie mir ein sehr stark mit Fadenalgen bewachsenes Becken in wenigen Tagen kahl fraßen.
      Seegras wuchs nur sehr spärlich an einigen sandigen Stellen. Es bildete kleine Gruppen und war stark verschmutzt.
      Die Lebewesen, die am meisten auffielen waren die Seegurken (Holonthuria tubulosa), etwa 20-30cm lange Tiere, die in großen Mengen den Meeresboden bevölkerten. Sie sind anscheinend überall und in allen Tiefen anzutreffen. Ihre Hauptbeschäftigung besteht darin, den Meeresboden durch den Darm zu befördern, dessen organische Bestandteile ihre Nahrung bilden. Bei den meisten Seegurken ist es aber zweifelhaft, ob sie nur Sand und Schlamm fressen, denn es gab kaum Sand und erst recht keinen Schlick. Sie lagen oft auf glatt gewaschenen Steinen. Entweder nehmen sie ihre Nahrung auch aus dem Wasser auf oder die Seegurken können lange Zeit hungern und warten bis sie auf ihren Wanderungen etwas genießbares finden.
      Ein weiterer auffälliger Vertreter der Familie der Stachelhäuter der besonders den Badegästen zu schaffen macht war der violette Seeigel (Paracentrotus lividus) der sehr zahlreich auf den Kalkfelsen anzutreffen ist. Betrachtet man den Kalkstein eingehender, stellt man fest, dass er von zahllosen Löchern und Gängen durchzogen ist, so dass man den Eindruck haben kann, es handelt sich um Bimsstein. Die Seeigel, die oft große Kolonien bilden fressen sich in dem weichen, porösen Felsen und leben wahrscheinlich von den Organismen, die Gänge in den Kalk gebohrt haben oder darin wohnen. Dass Algen einen wesentlichen Bestandteil der Nahrung bilden ist nicht anzunehmen da kaum Algen vorhanden sind. An gefangenen Igeln konnte ich beobachten, dass sie nachts ihren Stammplatz, den sie scheinbar unverändert behalten, verlassen und im Aquarium auf Nahrungssuche gehen. Schaltet man dann morgens plötzlich das Licht ein, flüchten die Seeigel mit höchster Geschwindigkeit auf ihren Platz, den sie stets mit erstaunlicher Genauigkeit wiederfinden. Es gibt hier allerdings individuelle Unterschiede, da manche keinen festen Standort haben und auch am Tage umherwandern. Ähnlich verhält es sich mit der Tarnung; während die mit dem festen Platz stets gut getarnt sind, scheinen die anderen wenig Wert auf Tarnung zu legen und beladen sich nur gelegentlich mit Muschelschalen oder Kieselsteinen. Das Verhalten ist insofern interessant, da alle Igel aus der gleichen Kolonie stammen, also unter gleichen Bedingungen lebten. Am Darminhalt eines durch einen Seestern gefressenen Igels konnte ich feststellen, dass sie auch Algen fressen. Eine wichtige Rolle im Leben der Seeigel scheint der Kalkstein zu spielen. Haben sie keine Möglichkeit ihre Zähne an Muschelschalen oder ähnlichem abzuschleifen, so wachsen die Zähe über Kreuz und der Kauapparat wird unbrauchbar. Der Seeigel verhungert weil er keine Nahrung mehr aufnehmen kann. Ich habe mir bisher dadurch geholfen, dass ich die überstehenden Zähne einfach abgeschnitten habe und von Zeit zu Zeit kontrolliere wie weit sie wieder nachgewachsen sind (Einen Igel behandle ich so seit zwei Jahren). Eine andere Seeigelkolonie entdeckte ich in der Badeanstalt des Ortes. An einer Stelle wo die Aufschüttung des Strandes zu Ende ist und sich der Boden steil um 2-3 Meter senkt, war von oben eine eigenartige Ansammlung von Apfelsinenschalen, Stanniolpapier, Fischgräten, Hummerscheren, Ölsardinenbüchsen und ähnlichem Abfall zu sehen. Man konnte denken, es sei eine Müllgrube. Meine Überraschung war natürlich groß als ich unter dem Müllhaufen eine ganze Kolonie der stattlichen Seeigel (Sphaerechinus granularis) entdeckte. Sie haben einen Durchmesser von 8cm, sind dunkel violett gefärbt und haben weiße Stacheln. Die Eigenart sich zu tarnen ist bei ihnen anscheinend besonders ausgeprägt und so schrecken sie vor nichts zurück und beladen sich mir allem was sie festhalten können. Als Nahrung können Pflanzen eine Rolle spielen, da in der näheren Umgebung einige Schmieralgen und verkümmertes Seegras wuchsen. Die Unterlage auf der sie saßen, war etwa faustgroßes Geröll.
      Weitere Vertreter der Stachelhäuter waren die Seesterne (Asteroidea) und die Schlangensterne (Ophuroidea). Die Seesterne sind wohl die beliebtesten und bekanntesten Vertreter der Stachelhäuter, da fast jeder der an die See fährt sich einen trocknet und mit nach Hause nimmt. Der größte Seestern der Adria ist Asterias glacialis, ein großer Raubstern, der eine beträchtliche Größe erreicht. Exemplare von einem halben Meter Durchmesser sind keine Seltenheit. Es ist mit kräftigen Stacheln bewehrt und olivgrün bis braun gefärbt. Seine Nahrung besteht vorwiegend aus Schnecken, er verschmäht aber auch anderes Futter nicht (Muscheln, Seeigel, Fisch, Regenwürmer) was bei der Haltung im
      Aquarium zu beachten ist. Hält man ihn mit Tieren zusammen, die er nicht frisst, hat man viel Freude an ihm. Er ist nicht sehr anspruchsvoll, lässt sich gut füttern und ist ein ausdauernder Pflegling den man Jahrelang halten kann. Ein anderer Seestern, der häufig vorkommt, ist der Vielarmige Seestern (Asterias tenuispila), er wird nicht so groß (15-20cm Durchmesser), ist schmutzig gelb oder bläulich mit braunen Flecken und hat auf der Oberseite zahlreiche Warzen. Für die Haltung gilt das gleiche wie bei A. glacialis. Er hat noch den Vorteil dass er sich, wenn man Glück hat, teilt und jedes Teil die fehlenden Arme neu bildet, so dass man statt einen zwei Sterne hat.

      Erwähnt sei noch der Kammstern. Ich fand nur zwei Exemplare in etwa 6 Metern Tiefe auf sandigen Boden; sie leben meist eingegraben und können nicht klettern, da ihnen die Saugfüßchen fehlen.
      Ein ebenfalls verstecktes Leben führen die Schlangensterne. Sie bestehen aus einer relativ großen Mittelscheibe, der fünf dünne und sehr gelenkige Arme entspringen. Sie sind dunkelbraun gefärbt. Normalerweise sieht man sie selten. Hebt man aber einen flachen Stein auf so kann man gleich mehrere Schlangensterne beobachten die sich hastig in Sicherheit bringen. Sie bewegen sich durch schlängelnde Bewegungen ihrer dünnen Arme sehr schnell und geschickt weiter und sind gleich wieder unter anderen Steinen verschwunden. Sie sind so flink, dass man sie kaum in der Hand halten kann. Hält man sie an einem Arm fest, so werfen sie ihn sofort ab (ähnlich wie die Eidechsen ihre Schwänze) und flüchten so schnell sie können.
      Eine der wichtigsten Tiergruppen für die Meeresaquaristik sind die Aktinien; die Blumen des Meeres. Ihnen galt meine besondere Aufmerksamkeit. Von ihnen ist die Wachsrose (Anemonia sulcata) am häufigsten vertreten. Man findet sie überall in Felsspalten und zwischen runden Steinen die den Boden bedecken. Der Körper ist meistens bis zur Tentakelkrone zwischen den Steinen verborgen so dass sie gut geschützt ist. In größerer Tiefe (8 Meter) fand ich riesen Exemplare von etwa 20-25cm Tentakelkranz Durchmesser. Die Tentakel sind sehr lang und haben meistens lila Spitzen. Die Wachsrosen sind vom glatten weiß bis hellem braun in allen Schattierungen gefärbt; die Tentakel sind heller als der Körper. Sie nesseln stark und halten sehr fest; kommt man mit der Hand in eine Wachsrose, so reißt man die Tentakeln ab, welche die Hand festhalten. Nimmt man einen Stein mit einer Wachsrose aus dem Wasser oder legt man ihn in die Brandung, so löst sich die Wachsrose in kurzer Zeit und lässt sich ins tiefe Wasser kullern, in dem sie geschickt die Wasserbewegung ausnutzt und sich mit ihren Tentakeln fest hält. Ein Umstand, der das fangen besonders erleichtert. Man braucht nur Steine mit Wachsrosen ins flache Waser legen und die abgelösten Tiere einzusammeln. Man spart sich viel Mühe und verletzt sie nicht, was für den Transport und die spätere Haltung besonders wichtig ist.
      Die Vorliebe sich in Löchern und Felsspalten festzusetzen konnte man bei allen dort vorkommenden Aktinien beobachten. Besonders die Schlangenhaarrose (Actinathoe clavata) die oft in enger Nachbarschaft mit den Sonnenrosen (Cereus penduculatum) immer dicht unter der Wasseroberfläche stehen, haben sich solche Plätze gesucht. Ich fand nicht eine einzige, die man hätte ablösen können.
      Ein interessantes Erlebnis hatte ich mit einer Goldrose (Condylactus aurantiaca) die ich durch Zufall unter einem Stein entdeckte, den ich als Ballast zum tauchen verwenden wollte. Ich legte den Stein mit der Aktinie nach oben in etwa 3 Meter tiefe neben dem massiven Felsen. Als ich am nächsten Morgen nachsah, ist sie über Nacht wieder auf die Unterseite gekrochen. Dort blieb sie so lange sitzen bis nach ein paar Tagen ein Sturm das Meer aufwühlte. Dabei wurde ihr Stein, der ja nur lose dalag bewegt. Sie verließ den Stein und kroch auf den nahe gelegenen Felsen, wobei sie noch über einige faustgroße Steine hinweg musste. Als Tags darauf die See wieder wie ein Spiegel war und ich nach ihr sehen wollte, entdeckte ich sie auf dem Felsen. Sie saß jetzt im Schatten und war mit dem ganzen Körper in einem Spalt verschwunden, so dass nur die weit ausgebreiteten Tentakelspitzen in ihrer ganzen Farbenpracht zu sehen waren. Diesen Platz behielt sie bis zur Abreise, sehr zu meinem Verdruss. Ich fand nur die eine und hätte sie gerne mit nach Hause genommen.
      Die Purpurrosen (Actinia equina purpurea) suchte ich zunächst vergeblich, da sich sie unter der Wasseroberfläche vermutete. Sie sitzen grundsätzlich außerhalb des Wassers und werden nur bei Flut oder Wellenschlag kurzzeitig überspült. Sie sitzen in Felsspalten und Rissen in denen sich etwas Feuchtigkeit hält, auf schattigen Wänden aber auch manchmal direkt in der Sonne. Sie sind fast immer eingezogen und öffnen sich auch nicht wenn sie überspült werden. Ich habe nur zwei oder drei Stück gesehen, die sich in den 14 Tagen mal geöffnet hatten. Nimmt man an, dass sie sich nachts öffnen, so ist die Zeit, in der sie fressen könnten und die Chance ein Futtertier zu erbeuten, trotzdem sehr gering. Es ist darum auch kein Wunder, dass die Purpurrosen in der Natur wesentlich kleiner sind als im Aquarium wenn man nur einmal wöchentlich füttert, gibt man ihnen schon mehr als sie selbst fangen würden. Auf Grund meiner Beobachtungen möchte ich jedem empfehlen die Purpurrose nicht übermäßig zu füttern, sie sehen dann schöner aus und verlieren nicht so schnell ihre Farbe.
      Von den Vertretern der Familie der Würmer möchte ich nur den Kalkröhrenwurm (Serpula vermicularis) und die Schraubensabelle (Spirographis spallenzanii) nennen. Die Kalkröhrenwürmer haben ihre Wohnröhre auf einer festen Unterlage verankert und bilden oft größere Kolonien, die wie kleine Blüten den Felsen überziehen. Sie kommen in verschiedenen Farben vor (gelb, grün, rot, bläulich, weiß, braun) und bieten mit ihrer weißen Wohnröhre einen sehr schönen Anblick. Leider lassen sich die Tiere schlecht fangen, da man selten eine schöne Kolonie auf einem transportablen Stein findet.
      Anders ist es mit der Schraubensabelle; sie verankert ihre Wohnröhre im Sand oder Kies und lässt sich gut sammeln. Das Hauptverbreitungsgebiet dieses Wurms war der Hafen des Ortes, in dem auch die Abwässer geleitet wurden. Hier bekam er durch die relative Verunreinigung (das Wasser ist trotzdem klarer als das Ostseewasser) genügend Nahrung und hatte durch den kiesigen Grund eine Möglichkeit seine Wohnröhre im Bodengrund zu verankern. Die Wohnröhre ist elastisch, sie steht frei im Wasser und wird aus ihrem Körpersekret erbaut. Außen ist sie mit feinen Schwebstoffen besetzt, die der sonst pergamentartig durchsichtigen Röhre erst die schwarzbraune Farbe verleiht. Das untere Ende der Röhre ist spitz auslaufend und auf festen Gegenständen im Boden verankert. Sie können bis zu 50cm lang und Fingerdick werden. Der Wurm baut ständig an seiner Röhre, kann sich frei in ihr bewegen und sie auch verlassen. Das kommt jedoch nur im äußersten Notfall vor. Er hat eine sehr schön gefärbte, spiralig gewundene Kiemenkrone, die weithin sichtbar ist. Der Wurm, der völlig ruhig dasteht zieht sich bei der geringsten Störung blitzschnell in seine Wohnröhre zurück. Beim Fang der Röhrenwürmer ist darauf zu achten, dass man die Tiere vorsichtig ausgräbt und die Röhre nicht von der Unterlage abreißt oder verletzt. Die Röhren werden dann oben zugebunden, damit die Würmer nicht raus können und in feuchten Zellstoff verpackt. Sie lassen sich so gut transportieren. Sind die Tiere beim Fang und Transport sorgfältig behandelt worden, so sind sie in alteingerichteten Becken gut haltbar. Man füttert am besten in dem man den Mulm regelmäßig aufwühlt und so für Schwebstoffe sorgt. Wird die Röhre mal durch einen Einsiedler der seine Kletterkunststücke vollführt, geknickt oder einen Igel angefressen, kann man sie aufrichten und sie mit einer Gabel aus Birkenreisig abstützen, bis sie wieder ausgebessert ist und alleine steht. Ein Röhrenwurm, der so behandelt wurde, lebte bei mir über 1½ Jahre. Wird die Kiemenkrone verletzt oder trocknet während des Tarnsportes ein, wird sie vom Wurm abgestoßen und in 1-2 Monaten eine neue gebildet. Man sollte aber möglichst darauf achten, dass so etwas gar nicht erst nötig wird, da der Wurm dabei nur Kraft verbraucht und sich das wieder auf die Lebensdauer auswirkt, weil er nur unvollständig ernährt werden kann.
      Die beliebten Einsiedlerkrebse, die man nach Aussagen alter Hasen mit der Harke überall am Strand sammeln kann, habe ich fast eine Woche lang vergeblich gesucht. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Krebse offensichtlich einen sandigen Strand bevorzugen und die Felsen und Geröll meiden. Ich fand sie schließlich rein zufällig in der Badeanstalt, die einen künstlich aufgeschütteten Sandstrand besitzt. Es war noch ruhig, da die Badeanstalt geschlossen war und erst für die Saison hergerichtet wurde. Die Einsiedler hatten sich auf einen 30-40 Meter breiten Streifen versammelt, bei einer Wassertiefe von wenigen Zentimetern bis 1½ Metern. Es handelte sich hierbei um 3 Arten. Diogenes pugilator ist weißlich gefärbt, hat eine große und eine kleine Schere und ist sehr lebhaft . Eupagurus anachoretus ist weinrot bis rotbraun mit einem stark behaarten Panzer. Er ist nach meiner Erfahrung der empfindlichste; er geht schon beim Transport ein oder verlässt sein Gehäuse wenn man ihn aus dem Wasser nimmt. Chlibanarius misanthropus ist braun bis rotbraun gefärbt und an der Innenseite der ersten Beine (Peraeopoden) und den Mundwerkzeugen (Mandibeln) gesprenkelt, er ist ausdauernd und wird auch in den meisten Aquarien gehalten. Scheinbar war gerade Paarungszeit, man konnte häufig Krebse finden, die Laich mit sich herum trugen oder sich zum Paaren zusammengefunden hatten. Sie bewohnten fast ausschließlich die Gehäuse der Spitzen Schnecke Cerithium vulgatum, selten die der Murex. Neben den Einsiedlerkrebsen gab es hie auch die Purpurschnecke (Murex tremculus) die sich meist in den Sand eingräbt.
      Die Krebse der Felsenküste waren dagegen die Krabben und auch die Garnelen. Die Krabben hielten sich in Felsspalten über und unter der Wasseroberfläche auf; von Zeit zu Zeit rannte dann eine über den Felsen um ins Wasser oder zu einem Versteck zu gelangen. Stellte man sie, so erhoben sie drohend ihre kräftigen Scheren, die in der Lage waren, einen Bleistift dicken Zweig mühelos zu durchtrennen. Es handelte sich um die schön gefärbte Krabbe Evipia spinifrons. Nicht ganz so häufig war die bekannte Strandkrabbe Carcinum maenas, die wir auch in der Ostsee finden.
      Die Garnelen fing man am besten in Wasserlöchern, die bei Ebbe zurückblieben oder mit einem Kescher in den spärlichen Blasentang Beständen. Man konnte sie dann mühelos in großen Mengen erbeuten. Es handelte sich um die Steingarnele Palaemon serratus, die man mit etwas Glück auch in der Ostsee fangen kann.
      Eine Krebsart wäre mir beinahe ganz entgangen, es waren die Seespinnen (Callaja). Erst unmittelbar vor der Abfahrt unseres Busses, als ich schnell noch ein paar Hände voll Büscheltang (Cystoseira) zur Dekoration mitnehmen wollte, zog ich zwei kleine Majas mit heraus die sich im Tang versteckt hatten. Sie sind so gut getarnt dass sie einem, wenn man nicht systematisch danach sucht, gar nicht auffallen.
      Als letzter Vertreter der Wirbellosen seien noch die Schwämme (Porifera) und der auf der höchsten Entwicklungsstufe stehenden Manteltiere (Tunicata) erwähnt. Die Krustenschwämme bevorzugen die schattigen Stellen im Wasser; sitzen unter Überhängen und auf der Unterseite von Steinen, die sie mit ihrer Farbenpracht überziehen. Man kann auf einen faustgroßen Stein Schwämme der Halichondris in allen Farben antreffen, rot, weiß, gelb, braun; sie sitzen auch auf Schneckengehäusen und Muschelschalen, die oft bis zur Unkenntlichkeit bewachsen sind. Weniger auffällig sind die Bohrschwämme (Vioa celata). Sie dringen in den Kalkfelsen ein und durchziehen ihn mit unzähligen Gängen. Da er in großen Mengen vorkommt sieht man überall sein Zerstörungswerk.
      Von den Tunicaten möchte ich die Schöne, rot leuchtende Seescheide (Cynthia papilosa) erwähnen, die nicht sehr häufig anzutreffen ist, Sie lebt in größeren Tiefen ab 5 Meter und steht meistens allein. Sie gehört zweifellos zu den dekorativsten Tieren eines Meeresaquariums auch wenn sie kaum Lebensäußerungen zeigt. Dagegen ist die Seescheide (Stylea plicata) weniger dekorativ; sie ist braun und erinnert durch ihre faltige, lederartige Oberfläche an eine alte Kartoffel. Sie lebt in Gruppen und ist oft so stark mit Krustenschwämmen, Muscheln und Algen bewachsen, so dass man sie zuerst für einen Stein halten kann. Nur die Ein- und Ausstromöffnungen verraten, dass es ein Tier ist.
      Zum Schluss bleiben noch die Fische übrig, die ja bekanntlich nicht die dominierende Rolle spielen. Sie sind aber die Tiere, die erst jedes Aquarium beleben. Daher sollte an nie ganz auf Fische verzichten, lieber ein paar Aktinien weniger. Fische sind die Tiere, die dem Taucher zu erst auffallen und die man ohne große Mühe überall findet. Es ist ein eigenartiges Erlebnis, wenn man alte Bekannte trifft, die man bisher nur zu Hause im Aquarium kennen gelernt hat. Der erste dieser Art war der Schriftbarsch (Serranus scriba) der sich mit einem eleganten Flossenschlag erst einmal in Sicherheit brachte und mich aus seinem Versteck beobachtete. Er ist ein ausdauernder und wie alle Barschartigen, interessante Pflegling. Er hat einen festen Platz und verteidigt sein Revier gegen alle Eindringlinge. Das Kampfverhalten ist, soweit ich das beobachten konnte, ähnlich wie bei den Cichliden. Die Kämpfer stehen sich mit weit aufgerissenem Maul und gespreizten Flossen gegenüber. Unter heftigem Schlagen mit der Schwanzflosse stoßen sie aufeinander zu, machen aber nur Scheinangriffe und bleiben Millimeter vor dem Kopf des Gegners stehen. Auch das für die Cichliden so typische Maulzerren findet statt.
      Als nächster „Aquarienfisch“ kreuzte ein Meerjunker (Coris julis) meinen Weg. Der lang gestreckte Körper leuchtet fast in allen Regenbogenfarben. Obwohl er immer einen steifen, würdevollen Eindruck macht und dem Fisch keine Anstrengungen anzusehen ist, kann er sich pfeilschnell und geschickt im Wasser bewegen.
      Ein weiterer, prächtiger Vertreter der Barschartigen war der Lippfisch (Crenilabrus tinca). Er wird etwa 30cm lang, sein Körper ist gelb mit einigen rot-blauen Längsstreifen auf dem Rücken und einer leuchtend blauen Schwanzflosse einen eigenartigen Kontrast bildend. Er hat ebenfalls ein festes Revier und einen Stammplatz in einer Höhle.
      Viele für die Aquarienhaltung geeignete Arten finden wir unter den Grundfischen, die besonders artenreich vertreten sind. Betrachtet man den Meeresgrund genauer, so findet man dort Grundeln aller Arten auf Steinen, in Felsspalten und hauptsächlich unter den Steinen. Dazwischen ebenso viele Blenniiden zwischen 5 und 25cm Länge in allen möglichen Farben und Formen. Sie sind durch ihre schleichenden Bewegungen, ihre Neugier und ihre ansprechende Färbung schon lange ein beliebtes Pflegeobjekt geworden. Sie gelten auch als der Clown des Meeresaquariums. Leider haben sie aber den Nachteil, dass man sie nicht mit Zylinderrosen, Sonnenrosen, Röhrenwürmern oder anderen, sich im Sand eingrabenden Tieren zusammen halten kann. Sie sind sehr neugierig und untersuchen alles Erreichbare auf seine Genießbarkeit. Die Folge ist, dass sich die Tiere verletzen und darum oft zugrunde gehen.
      In einem höchstens 10cm großen Loch steckte ein kleiner Fisch; nur sein schwarzer Kopf und die leuchtend gelbe Brust waren zu sehen. Kommt man ihm zu nahe, so verschwindet er völlig und lässt sich erst wieder sehen wenn alles ruhig ist. Nähert sich ihm ein kleiner Fisch, so schießt er blitzschnell aus seinem Loch um ihn zu verjagen und verschwindet sofort wieder in seiner Wohnröhre. Bei dieser Gelegenheit sieht man den ganzen Fisch. Es ist ein Blennius canevae, etwa 5cm lang, schwarzbraun gefärbt und unscheinbar.
      Im Schatten überhängender Wände tummeln sich Verwandte der Blenniiden; es sind B. tripterygion. Sie haben einen leuchtend roten Körper und einen tiefschwarzen Kopf, der erste Strahl der Rückenflosse ist ungewöhnlich lang ausgezogen. Sie jagen sich und balzen an den senkrechten Wänden und auf den Überhängen als gäbe es für sie kein oben oder unten. Sie setzen sich auf einen Überhang genau so einer Selbstverständlichkeit, dass man glaubt selbst auf dem Kopf zu stehen. Leider ist mir der einzige Fisch, den ich davon fing schon nach einer Stunde eingegangen. Er verlor gleich seine prächtige Färbung, die verblasste und ins braun überging.
      Ein interessantes Erlebnis hatte ich mit den Mönchsfischen (Chromis chromis). Als ich an der Wasseroberfläche entlang schnorchelte, entdeckte ich unter mir in 5-6 Meter Tiefe einen Schwarm Mönchsfische der unmittelbar über den Boden spielte. Als ich abtauchte und auf sie zu kam, verschwanden alle in einer so kleinen Felsspalte, dass man annehmen musste, sie liegen darin wie in einer Ölsardinenbüchse.
      Eine andere Beobachtung machte ich im flachen Wasser der Badeanstalt. Als ich am letzten Tag dabei war, Einsiedler zu sammeln, fielen mir zwei kleine, etwa 7cm lange Barsche auf, die einträchtig beeinander standen und nicht einmal die Flucht ergriffen als ich direkt über sie hinweg schwamm. Dadurch stutzig geworden untersuchte ich die Angelegenheit näher und bildete mir ein, dass es sich um ein Pärchen handelte, dass sein Nest bewachte und ihm frisches Wasser zufächelte, ähnlich wie es bei uns die Stichlingsmännchen machen. Das „Nest“ war ein kleines Loch unter einem flachen Stein. In der Zwischenzeit habe ich erfahren, dass alle Schriftbarsche und Brassen Zwitter sind, so dass wenig wahrscheinlich ist, dass sie gemeinsam Brutpflege betreiben.
      Auf die größeren Fische wie die Meeräschen und Brassen möchte ich nicht näher eingehen, da sie wohl für den Unterwasserjäger größere Bedeutung als für den Aquarianer besitzen.
      Zusammenfassend kann man sagen, dass es über den Touristenaustausch mit anderen Ländern möglich ist, ohne große Schwierigkeiten und finanziellem Aufwand genügend Meerestiere für die relativ wenigen Liebhaber in der DDR zu beschaffen, wenn man die Möglichkeit hat in ein Land zu reisen, dass von einem „echten“ Meer, mit 3,5% Salzgehalt umspült wird. Solange dieses aber schwer zu verwirklichen ist, möchte ich allen Meeresaquarianern empfehlen, sich intensiver mit der Ostseefauna zu beschäftigen, die auch reizvolle Pflegeobjekte zu bieten hat.

      Klaus Bischoff
      FG Meeresaquaristik Berlin-Brandenburg
    • Dietmar schrieb:

      Aus dem heutigen Blickwinkel auf die damaligen Ereignisse und auch hinsichtlich der Fähigkeiten und Grenzen in der Tierhaltung vor über 50 Jahren stelle ich Euch diesen Artikel zur Erstveröffentlichung im Internet vor und wünsche Euch viel Vergnügen beim Lesen.

      Hallo Dietmar

      Vielen lieben Dank. :)

      Ich hatte mal ein Buch von Klaus Bischoff, handelt über Krabben in der Ostsee. War auch sehr interessant. Leider ist mir dieses Buch irgendwie abhanden kommen.
      - "Mein kleines azooxanthellates Aquarium" -

      Beste Grüße
      Harald
    • Hallo Harald,
      da bin ich erst mal hinterfragt was die Literatur betrifft. Ich schaue mal, ob ich da was finde; in der Bibliothek habe ich das jedenfalls nicht. Im Nachlass von Klaus gibt es noch einige Artikel von korrespondierenden Mitgliedern der unserer FG. Ich bin gerade dabei das zu sichten und mühsam aufzuarbeiten. Vieles ist mit Bleistift auf jetzt altertümlichen und zerfallenden Papier notiert, einiges ist mit sogenannten Ormik vervielfältigt worden und kaum noch zu entziffern. Ich gebe mir die größte Mühe das zu bewahren.
      Oliver, ja es sind immer wieder neue Hinweise zu entdecken, die in Vergessenheit gerieten und heute steht man manchmal wieder beim stand Null. Ich freue mich sehr, dass diese Dinge nach wie vor nutzbar sind und all die Mühen nicht umsonst waren.
      LG Dietmar
      FG Meeresaquaristik Berlin-Brandenburg
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